Wenigborster

Oligochaeta

Die nützlichen Wenigborster (Oligochaeta) sind eine artenreiche Ordnung bei den Würmern. Sie gehören zur Klasse der Gürtelwürmer (Clitellata) aus dem Stamm der Ringelwürmer (Annelida). Der aus dem Garten sehr gut bekannte Regenwurm und auch der Glanzwurm (beide aus der Gattung Lumbriculus) gehört zu den Wenigborstern, ebenso wie der in der Aquaristik gerne als Futtertier verwendete Schlammröhrenwurm (Tubifex) oder auch die ebenfalls als Lebendfutter gut bekannten Enchyträen. In der Aquaristik weiterhin gut bekannt sind zum Beispiel auch der Öltröpfchenwurm und die Teichschlange (die natürlich keine echte Schlange ist).

Die meist haardünnen Wenigborster sind deutlich schlanker als die eher platten und relativ breiten Planarien aus der Ordnung der Seriata und die sogenannten Scheibenwürmer (Macrostomum) aus der Ordnung der Rhabdocoela. Oft sieht man sie an der Scheibe sitzen oder im Wasser schlängelnd schwimmen

1 Aussehen und Vorkommen

Aufgrund ihrer Länge und der Tatsache, dass sie fadendünn sind, werden Wenigborster oft als Nematoden oder Fadenwürmer bezeichnet, sie sind aber keine. Anders als Fadenwürmer sind die Wenigborster wie alle Ringelwürmer deutlich segmentiert. Man kann die einzelnen Segmente mit einer Lupe oder unter dem Mikroskop gut erkennen. An jedem Segment sitzt ein mehr oder weniger langes Borstenpaar. Ihre Körperform ist lang und schmal, die kleineren Vertreter sehen aus wie ein Haar. Der Querschnitt des Körpers von Wenigborstern ist rundlich. Die üblicherweise im Aquarium vorkommenden Wenigborster werden je nach Art zwischen 1 mm und maximal 10 cm lang. Der mit 10 cm längste Vertreter der Oligochaeten im Aquarium ist der Glanzwurm (Lumbriculus variegatus).

In der Regel sind Wenigborster transparent bis weißlich oder hellbeige. Das Blut mancher Wenigborster wie Tubifex oder Glanzwürmern enthält den roten Blutfarbstoff Hämoglobin, weshalb diese Würmer eher fleischfarben bis rötlich oder rotbraun aussehen.

Geschlechtsreife Würmer können einen Gürtel, ein sogenanntes Clithellum, haben, eine verdickte gürtelartige Hülle, die einen kleinen Teil des Körpers (meist im vorderen Bereich) umschließt.

Bei den Wenigborstern gibt es landlebende und wasserlebende, aquatile Arten. Diese Tierordnung ist auf der ganzen Welt verbreitet, und es kann nicht ausgeschlossen werden, dass in unseren Aquarien neben heimischen Arten auch Arten vorwiegend aus Südostasien vorkommen, die zusammen mit Wasserpflanzen importiert wurden.

2 Nahrung und Fressverhalten

Wenigborster sind Destruenten, also Nützlinge - sie leben überwiegend von Detritus und anderen Futterresten. Diese nützlichen Würmer bauen also organische Überreste ab, versorgen durch ihren Kot die Pflanzen mit Nährstoffen und sind an der Humusproduktion beteiligt. Durch ihre oft grabende Lebensweise arbeiten die Wenigborster nebenbei auch noch den Boden durch, sie fressen versickertes Staubfutter und kleine Futterpartikel, die im Bodengrund verschwunden sind, verhindern dadurch Faulstellen und bringen sauerstoffhaltiges Wasser an die Pflanzenwurzeln.

Finden sie viel Nahrung in Form von übrig gebliebenem Garnelen- oder Fischfutter, nicht entfernten abgestorbenen Pflanzenresten und so weiter, kann ihre Population stark ansteigen.

2.1 Wenigborster im Wirbellosenaquarium

Garnelen und vor allem Zwergkrebse und junge Flusskrebse fressen ebenso wie kleine Krabben sehr gerne den einen oder anderen Wenigborster. Diese Würmer kümmern sich also nicht nur als Gesundheitspolizei um nicht gefressene Reste, sie dienen selbst auch als permanente Lebendfutterquelle.

Im Wirbellosenaquarium sind Wenigborster deutlich präsenter als im Fischaquarium, weil sie von Garnelen und anderen Wirbellosen nicht in dem Ausmaß gefressen werden wie von Fischen.

3 Fortbewegung

Viele Wenigborster können anders als Planarien und Macrostomidae sehr gut schwimmen. Ihre Schwimmweise ist sehr charakteristisch: Sie schlängeln sich s-förmig durch das Wasser und sind dabei erstaunlich schnell. An der Scheibe kriechen Wenigborster je nach Untergrund eher ruckartig, sie gleiten nicht auf einem Schleimfilm, sondern drücken sich mit Hilfe ihrer Borsten vorwärts.

4 Fortpflanzung

Wenigborster sind Zwitter. Es gibt aber unter diesen Würmern auch Arten, die sich ungeschlechtlich durch die Bildung von Tierketten vermehren. Dabei wachsen die Würmer in die Länge und die neuen Einzeltiere schnüren sich ab. Das geschieht vorwiegend bei aquatilen Wenigborstern wie der Teichschlange und den Öltröpfchenwürmern. Andere Arten, überwiegend aus der Familie der Regenwürmer (Lumbriculidae) schnüren Einzeltiere ab, ohne dass sie vorher Tierketten bilden. Andere Arten bevorzugen die geschlechtliche Vermehrung durch Paarung und Eiablage. Dazu wird im Clithellum (dem Gürtel) das Sperma des Geschlechtspartners gespeichert und Eier werden darin abgelegt. Dieser Gürtel wird daraufhin abgestreift, die Eier werden befruchtet. Das Clithellum verhärtet sich und formt einen Kokon, in dem sich die Eier entwickeln. Dieser Kokon wird je nach Art an Wasserpflanzen, Steine, Wurzeln etc. angeheftet oder einfach abgelegt.

5 Wie kommt der Wenigborster ins Aquarium?

Meist schleppt man Wenigborster als Beifahrer mit Aquarienpflanzen oder im Transportwasser von anderen Aquarientieren ein. Besonders häufig sitzen die haardünnen Würmer in Mooskugeln. Heimische Arten kann man sich auch mit Tümpelfutter ins Aquarium eintragen, und natürlich auch mit Dekorationsmaterial wie Steinen oder Wurzeln aus Naturgewässern. Die Tiere können auch je nach Art in feuchtem Sand oder Kies überleben. Häufig leben diese fadendünnen Würmchen auch im Filter, mit Filterschlamm aus bereits besetzten Aquarien fängt man sie sich ebenfalls häufig ein. Bei Arten, die einen Kokon mit Eiern ablegen, kann auch dieser Kokon zum Beispiel mit Bodengrund oder anhaftend an Pflanzen oder Deko mitgebracht werden.

6 Muss man Wenigborster reduzieren?

Die gute Nachricht zuerst: Wenigborster sind absolut nicht schädlich! Sie parasitieren nicht, sie leben nicht räuberisch - sie kümmern sich ausschließlich um organische Reste und halten dadurch die Keimbelastung des Wassers niedrig und sie helfen dabei, Faulstellen im Bodengrund zu verhindern. Daneben sind sie auch noch gutes Lebendfutter. Ganz los wird man sie ohnehin nicht, und das wäre auch wegen ihrer Wichtigkeit für eine funktionierende Aquarienbiologie überhaupt nicht wünschenswert.

6.1 Massenvermehrung

Eine Massenvermehrung deutet auf ein anderes Problem im Aquarium hin - entweder mangelhafte Hygiene (viele vergammelnde Pflanzenreste) oder eine Überfütterung (viel übrig gebliebenes Futter). Bei einer Massenvermehrung von Wenigborstern muss man daher unbedingt der Ursache auf den Grund gehen. Würde man die Würmer eliminieren, so hätte man schnell ganz andere Probleme zum Beispiel durch eine hohe Keimbelastung im Aquarium, eine Algenplage aufgrund der Überversorgung mit Nährstoffen oder durch Fäulnisherde.

Durch deutlich weniger Futter und eine verstärkte Aquarienhygiene wird den Wenigborstern ein Teil ihrer Nahrungsgrundlage entzogen und die Population nimmt ab. Vollkommen eliminieren kann - und sollte! - man diese Nützlinge nicht.

Mittel aus dem Zoofachhandel, die gegen diese Art Würmer helfen würden, enthalten in der Regel Kupfer und sind daher auch für Garnelen und andere Krebstiere wie auch für Schnecken stark giftig. Von einer medikamentösen Bekämpfung müssen wir daher dringend abraten! Wenigborster werden weder von Panacur noch von Flubenol oder No Planaria in den empfohlenen Dosen abgetötet. Diese Mittel sollten auch nicht stärker dosiert werden - irgendwann wirken sie dann schon, aber erst in Dosen, die dann auch für die restlichen Aquarienbewohner tödlich sind.

 

Autor(en)

Ulli Bauer

Fotos: Tamara Stamm, Simone Wagner, Video: Peter Renninger

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