Nitrit (NO2) als Salz der salpetrigen Säure ist ein Zwischenprodukt der Umwandlung organischer Stoffe in Nitrat - diese Umwandlung wird Nitrifikation genannt. Nitrit ist für viele Lebewesen giftig: Es reagiert zum Beispiel mit Eisenatomen im Organismus, wie etwa dem Zentralatom des Hämoglobins, dem roten Blutfarbstoff des Blutes bei Wirbeltieren und manchen Wirbellosen wie Roten Mückenlarven oder Posthornschnecken. Dadurch verhindert Nitrit den Sauerstofftransport.
1 Problematik
1.1 Bei Fischen
Auch bei Fischen läuft der Sauerstofftransport über Hämoglobin. NO2 lagert sich an Stelle des Sauerstoffs an das Hämoglobin an, das dadurch zu Methämoglobin oxidiert wird. Es kann nun keinen Sauerstoff mehr transportieren, weil der Platz dafür belegt ist - Ersticken ist die Folge. Fische sind deshalb - je nach Art, Teichfische und Fische aus organisch eher belasteten Habiaten weniger als Fische aus schnell fließenden sauberen Gewässern - empfindlich gegenüber erhöhten Nitritkonzentrationen.
1.2 Bei Krebstieren
Bei Garnelen, Krabben und Krebsen hingegen basiert der Sauerstofftransport wie bei vielen anderen Wirbellosen auf dem bläulich gefärbten Hämocyanin, welches den Sauerstoff zwischen zwei Kupferatomen an sich bindet.
Die oft gehörte Ansicht, Krebstiere seien gegen Nitrit "immun", ist leider unwahr. Auch Hämocyanin kann durch NO2 zu Methämocyanin oxidiert werden. Dadurch verliert es seine Kapazität, Sauerstoff zu binden. Aufgrund des Aufbaus des Blutfarbstoffes ist Kupfer jedoch für Garnelen, Krebse und Krabben giftiger als Nitrit, da sich Kupfer sich besser an das Hämocyanin bindet.
Auch hier haben wir generell bei Garnelen aus Teichen und nährstoffreichen Biotopen wie Neocaridina davidi eine viel höhere Toleranz gegen Nitrit als bei Garnelen aus kühlen, sauberen und sauerstoffreichen Habitaten wie beispielsweise Bienengarnelen, Tigergarnelen, Caridina cantonensis oder Caridina serrata. Dasselbe gilt auch für Zwergkrebse, große Flusskrebse und Krabben.
1.3 Bei Mollusken
Auch Weichtiere wie Schnecken und Muscheln sind von der Giftigkeit von Nitrit betroffen. Inaktivität bei Schnecken oder Todesfälle in frisch besetzten Aquarien sind in der Regel auf einen zu hohen Nitritgehalt zurückzuführen. Auch wenn Schnecken oft als Erstbesatz für ein einlaufendes Aquarium empfohlen werden, empfiehlt es sich, den sogenannten Nitritpeak abzuwarten.
1.4 Aufnahme von Nitrit bei Wassertieren
Nitrit wird über die sogenannten Chloridzellen in den Kiemen in den Körper aufgenommen. Aus diesem Grund steht NO2 in direkter Konkurrenz zu Chlorid. Durch eine hohe Chloridkonzentration wird Nitrit verdrängt, daher kann man den Tieren bei einem erhöhten Nitritwert im Aquarium durch Kochsalzgabe als Sofortmaßnahme helfen - wenn sie Kochsalz vertragen. Wie das geht, lest ihr in unserem Artikelteil "Nitrit entfernen - Kochsalzgabe".
Nitrit ist - wie schon erwähnt - das Salz der salpetrigen Säure. Bei niedrigen pH-Werten und Temperaturen bildet sich mehr salpetrige Säure. Salpetrige Säure wird nicht aktiv aufgenommen, sie diffundiert ungehindert in den Fisch hinein. Ab einem pH-Wert von 6,5 und darüber ist diese salpetrige Säure kaum noch vorhanden, daher ist Nitrit in Aquarien mit weichem Wasser und eher kühlen Temperaturen problematischer als in Warmwasseraquarien mit hartem Wasser.
2 Nitrit im Aquarium
2.1 Der Nitritpeak
Nitrit sammelt sich fast schon zwangsläufig in der Einlaufphase des Aquariums an - das ist der sogenannte Nitritpeak. Durch die stufenweise Entwicklung der Schadstoffe abbauenden Bakterien erreicht zunächst das Ammonium (NH4) eine hohe Konzentration (Ammoniumpeak). Die entsprechenden Ammonium abbauenden Bakterien vermehren sich und verstoffwechseln es zu Nitrit. Dadurch erreicht dann Nitrit oft kritische Konzentrationen.
2.2 Nitrit im laufenden Aquarium
Auch im bereits länger laufenden Aquarium kann beispielsweise eine sprunghafte Erhöhung des Besatzes oder ein plötzlicher hoher Eintrag an organischem Material durch Überfütterung (klassisch: die Futterdose ist ins Aquarium gefallen), eine große abgestorbene Pflanze oder ein großes verstorbenes Tier wie eine große Apfelschnecke, ein großer Wels oder eine Muschel einen Anstieg von Nitrit zur Folge haben.
2.3 Grenzwerte
In der Literatur ist eine weite Bandbreite von Grenzwerten für Nitrit zu finden – die Toleranz gegenüber NO2 unterscheidet sich je nach Art und Konstellation der restlichen Wasserparameter. Tiere aus den Oberläufen von Bächen und aus sehr nährstoffarmen Habitaten wie beispielsweise die Bienengarnele Caridina logemanni und die Sulawesigarnelen aus dem Malili-System sind dabei in der Regel empfindlicher als Tiere aus stehenden Gewässern und aus nährstoffreichen Biotopen. Das Paradebeispiel hierfür ist zum Beispiel neben der Amanogarnele (Caridina multidentata) auch die Rückenstrichgarnele Neocaridina davidi.
2.3.1 Grenzwert im Aquarium
Grundsätzlich sollte der Nitritgehalt in einem gut laufenden Aquarium nicht mit den gängigen aquaristischen Tests nachweisbar sein, weil die Nitrit abbauenden Nitrat-Bakterien (Nitrobacter, Nitrospira, Nitrolancetus, Nitrospina und Nitrococcus) sämtliches NO2, das im System anfällt, sofort zu Nitrat (NO3) weiter oxidieren.
2.3.2 Nitritproblematik bei Garnelen
Ab 0,3-0,5 mg/l NO2 besteht im Aquarium Handlungsbedarf. Bei Garnelen aus nährstoffarmen Biotopen können bereits Werte von etwa 0,3-0,5 mg/l zu Problemen wie Appetitlosigkeit und dem Ausbruch bakterieller Infektionen führen.
Eine direkt toxische Wirkung des Nitrits wurde bei diesen Garnelen bei Werten zwischen 0,5–1 mg/l beobachtet. Eine direkte Nitritvergiftung endet häufig in einem Massensterben.
Einige Arten aus Teichen oder den Unterläufen beziehungsweise den Mündungen von größeren Flüssen wie die oben erwähnte Neocaridina davidi oder die Amanogarnele dagegen vertragen höhere Werte bis 2 mg/l ohne weitere Probleme.
2.4 Handlungsbedarf
Ein Nitritanstieg ist immer ein Zeichen dafür, dass das biologische System im Aquarium aus dem Gleichgewicht geraten ist. Ihm sollte daher mit geeigneten Maßnahmen begegnet werden. Darauf gehen wir in unserem Artikel "Nitrit reduzieren" im Detail ein.
3 Nitrit richtig messen
Um NO2 richtig zu messen, empfehlen sich Tröpfchentests. Beim giftigen Nitrit ist die Genauigkeit doch sehr wichtig. Die handelsüblichen Teststreifen schlagen leider erst frühestens bei 0,5 mg/l, oft jedoch erst bei 1 mg/l NO2 wirklich an, deutlich erkennbar sind die Ergebnisse oft auch erst bei noch höheren Konzentrationen, die für empfindliche Garnelen und Fische oft schon deutlich zu hoch sind. Mit Teststreifen ist es daher nicht möglich, einen Anstieg früh genug zu erkennen.
Autor(en)
Ricardo Castellanos
Co-Autor(en)
Ulli Bauer