Die Aquaristik ist in zwei Lager gespalten, wie es scheint. Die einen propagieren Rennschnecken (Neritidae), zu denen auch Geweihschnecken (Clithon sp.), Kahnschnecken (Theodoxus sp.) und Anthrazit-Napfschnecken (Neritina pulligera) gehören, generell als prima Algenfresser, während sich mittlerweile die Stimmen mehren, die vehement behaupten, diese Schnecken fräßen ausschließlich Aufwuchs und so gut wie gar keine Algen. Was stimmt denn nun?
1 Algen - aber Algen sind nicht gleich Algen
Während es stimmt, dass die Neritiden nicht an höhere Algen gehen (dazu gehören grüne Fadenalgen, Pelzalgen und alle Arten von Rotalgen wie Pinselalgen, Bartalgen, Froschlaichalgen und so weiter), fressen Rennschnecken, Geweihschnecken und Co. als unspezifische Aufwuchsfresser neben Biofilmen auch alle Arten von feinen und dünnen Algenbelägen.
Kieselalgen gehörten dabei in wissenschaftlichen Studien neben einzelligen und kleinen mehrzelligen Grünalgen zu ihren bevorzugten Nahrungsquellen und sorgten im Laborversuch bei Theodoxus für das beste Gehäusewachstum. Diese einzelligen und kleinen mehrzelligen Algen sind ein wichtiger Teil des Aufwuchs in der Natur und im Aquarium und bilden zusammen mit Bakterien, Hefen und weiteren Mikroorganismen die Biofilme respektive den Aufwuchs, der alle Oberflächen unter Wasser überzieht.
2 Bakterien und andere Mikroorganismen
Biofilme bestehen aus Bakterien, einzelligen oder kleinen mehrzelligen Algen, Blaualgen (Cyanobakterien), Einzellern oder Protozoen wie Amöben, Geißeltierchen und Wimpertierchen und Hefen sowie Pilzen. Die Bakterien und Cyanobakterien im Biofilm stellen eine wichtige Eiweißquelle für Neritiden beziehungsweise für alle Aufwuchsfresser dar.
Durch die Zugabe von Bakterienkulturen, wie sie zum Beispiel in Bacter AE enthalten sind, kann man die Zusammensetzung der Biofilme günstig beeinflussen. Im Detail erklären wir die Zusammensetzung der Beläge im Aquarium in unserem Artikel "Der Biofilm im Aquarium".
3 Mineralstoffe
Mineralstoffe, insbesondere Kalziumkarbonat, sprich Kalk, braucht die Rennschnecke nicht nur, um ihr Gehäuse und ihr Körpergewebe aufzubauen, sondern auch für die Steuerung vieler Stoffwechselvorgänge. Kalk entnimmt die Schnecke zwar über ihr Mantelgewebe auch dem Wasser, jedoch wird Calciumcarbonat ebenso wie andere Mineralstoffe auch mit der Nahrung aufgenommen. Gerade die mineralstoffreichen Algenbeläge spielen hier eine wichtige Rolle in der Ernährung der Rennschnecken.
Nicht verdauliche Mineralstoffe werden in einem Organ gesammelt, das nah dem Anus und dem Ausgang des Eileiters liegt, dem Kristallsack. Die Schnecke entzieht ihrem Kot mit der Nahrung aufgenommene kleine Sandkörnchen, Skelettreste von Kieselalgen und so weiter und strudelt sie mit der Hilfe von Wimpern in den Kristallsack, wo sie sie sammelt. Diese Stoffe dienen bei der Eiablage dazu, die Hülle des Eikokons zu verstärken und widerstandsfähiger zu machen.
Eier von Artgenossen
Häufig ist von den lästigen Eiern der Rennschnecken im Aquarium irgendwann nur noch ein beiger dünner oval geformter Rand übrig, der Rest der Kuppel und die Eier im Inneren der Kokons sind verschwunden. Neuere Untersuchungen zeigen, dass das daran liegt, dass sich Rennschnecken und Geweihschnecken gerne an den Eikokons ihrer Artgenossen bedienen, die sie als wichtige Quelle für Eiweiß und Mineralstoffe für sich nutzen.
Die Kokons bestehen zu einem großen Teil aus dem Komplexprotein Conchiolin und eingelagerten Kalziumkristallen. Auch die Eier im Inneren der Eikokons der Neritidae sind sehr proteinhaltig. Aus diesem Grund legen Rennschnecken ihre Eier gerne auf den Häuschen von Artgenossen oder anderen Schnecken ab - das verringert das Risiko, dass die Kokons gefressen werden. Auch die Ablage in Spalten und kleinen Vertiefungen trägt dazu bei, das Fraßrisiko zu verkleinern.
5 Rennschnecken im Aquarium
Rennschnecken und Geweihschnecken im Aquarium sind Wildfänge und fressen zumindest am Anfang überwiegend Aufwuchs, bestehend aus einzelligen oder kleinen mehrzelligen Algen, Hefen, Pilzen, Bakterien und Cyanobakterien (Blaualgen), Protozoen und anderen Mikroorganismen. Sie sind nicht leicht an Kunstfutter zu gewöhnen. Zur Ernährung von Neritina, Vittina, Clithon und Neritodryas im Aquarium findet ihr Details in unserem Artikel "Aufwuchsfresser richtig füttern", zur Beurteilung ihres Futterzustandes gibt es Infos im Wiki-Artikel "Ernährungszustand von Aufwuchs fressenden Schnecken erkennen".
Autor(en)
Ulli Bauer
Fotos: Garnelenhaus