Sauerstoff ist ein lebensnotwendiges Element im Aquarium, dessen Konzentration im Aquarienwasser unter anderem durch die Wassertemperatur limitiert ist. Von einem Sauerstoffmangel spricht man, wenn der Sauerstoffgehalt im Wasser 4-5 mg/l unterschreitet. Dieser Grenzwert kann jedoch abhängig von der im Aquarium gehaltenen Tierart variieren – Arten, die in der Natur in sauerstoffreichen Fließgewässern vorzufinden sind (wie beispielsweise Bienengarnelen), brauchen etwas mehr Sauerstoff als andere Arten, die aus weniger sauerstoffreichen Gewässern stammen, wie zum Beispiel die Algengarnelen Neocaridina davidi.
1 Symptome eines Sauerstoffmangels
Ein Mangel an Sauerstoff lässt sich bei vielen Wassertieren leicht feststellen. Fische „japsen nach Luft“ und schwimmen an der Wasseroberfläche, sie atmen hektisch und spreizen ihre Kiemen. Achtung: ein zu hoher Nitritwert verursacht genau dieselben Symptome!
Garnelen versuchen, möglichst weit nach oben in Richtung Wasseroberfläche zu gelangen. Sie hören auf, den Boden abzuweiden, und sitzen ruhig weit oben an den Pflanzen oder sogar auf dem Filter. Krebse wandern leider oft nicht nach oben, sie bleiben am Boden und sterben dort. Findet man regelmäßig morgens tote Tiere im Becken, könnte ein nächtlicher Sauerstoffmangel die Ursache sein.
Hat man Malaiische Turmdeckelschnecken (TDS) oder Genoppte Turmdeckelschnecken im Aquarium, kann man bei einem Sauerstoffmangel eine Massenwanderung der eigentlich im versteckt im Boden lebenden Aquarienschnecken beobachten. Sie kriechen dann geschlossen in Richtung Wasseroberfläche. Dasselbe Symptom lässt sich auch bei einem kritisch zu hohen Nitritwert feststellen.
2 Sauerstoffverbraucher im Aquarium
Nicht nur Fische, Garnelen, Krebse, Schnecken und Muscheln verbrauchen Sauerstoff, auch die Pflanzen haben einen Stoffwechsel und benötigen zur Aufrechterhaltung O2. Ebenfalls nicht zu vernachlässigen: Viele Bakterien im Aquarium, darunter die meisten Filterbakterien, brauchen für den Abbau toter organischer Materie ebenfalls Sauerstoff.
3 Ursachen eines Sauerstoffmangels im Aquarium
Der tatsächliche O2-Gehalt im Aquarium ist das Endergebnis sauerstofffordernder und sauerstoffliefernder Prozesse. Auch ein kurzfristiger Sauerstoffmangel bedeutet Stress für die Tiere, welcher sich in Folge negativ auf die Gesundheit auswirken kann.
3.1 Zu hohe Wassertemperaturen
Die Aufnahmefähigkeit des Wassers für Sauerstoff sinkt, wenn die Temperatur steigt.
3.2 Besatzdichte
Aufgrund der von Natur aus durch die Wassertemperatur begrenzten Menge an Sauerstoff im Wasser sollte daher die Besatzdichte gut im Auge behalten werden; zu viele Organismen im Aquarium können schon rein durch ihre Atmung zu Sauerstoffmangel führen.
3.3 Dichte Bepflanzung
Das kann besonders nachts passieren, wenn die Pflanzen keinen Sauerstoff produzieren, sondern verbrauchen. Besonders in sehr gut bepflanzten Aquarien (als Faustregel: über 80% der Bodenfläche sind von Pflanzen bedeckt) kann es daher in den frühen Morgenstunden zu einer Sauerstoffknappheit kommen.
3.4 Bakterientätigkeit / Nitrifikation
Neben dem Besatz als sauerstoffzehrender Prozess, sollte beachtet werden, dass auch Bakterientätigkeit im Aquarium Sauerstoff verbraucht.
Mit einem kurzen Blick in die Nitrifikation wird schnell klar, dass Bakterien für diesen Prozess einen hohen Sauerstoffbedarf haben. Je mehr zu verstoffwechselndes Material zur Verfügung steht (Futterreste, Ausscheidungen, Harnstoff), umso mehr Bakterien werden gebraucht und umso höher ist der Sauerstoffverbrauch der Bakterien.
Die Menge und Art der Fütterung hat daher einen entscheidenden Einfluss auf den Sauerstoffverbrauch. Eiweißreiches Futter führt zu höherer Ausscheidung von Stickstoffverbindungen, welche von nitrifizierenden Bakterien in Nitrat umgewandelt werden. Dabei wird O2 verbraucht.
3.5 Bakterienblüten durch Nährstoffe
Zuckerhaltiges Futter (Gemüse, Obst, grünes Laub) führt direkt zur Zunahme der Bakterienanzahl (Keimzahl), was sich ebenfalls durch den bakteriellen Stoffwechsel in Form eines höheren Sauerstoffverbrauchs auswirkt. Verbleibt solch ein Futter zu lange im Aquarium, kann es zu einem Sauerstoffmangel kommen und unter Umständen auch zu milchig-trübem Wasser durch eine Bakterienblüte. Bakterienblüten zehren zum einen viel Sauerstoff, aber auch die hohe Gesamtkeimzahl, die damit einhergeht, kann sich auf verschiedene Tiere (besonders Garnelen) negativ auswirken.
3.6 Düngung mit "flüssigem CO2"
Sogenanntes "flüssiges CO2" besteht - vereinfacht gesagt - aus chemischen Stoffen, die im Aquarium zumindest teilweise zu CO2 verstoffwechselt werden. Dabei wird Sauerstoff verbraucht. Idealerweise wird flüssiger Kohlenstoffdünger daher morgens zugeführt, wenn die Pflanzen mit der Fotosynthese beginnen und aktiv Kohlenstoff aufnehmen und zu Sauerstoff umwandeln. Gibt man flüssigen Kohlenstoffdünger zur falschen Zeit zu, nämlich wenn das Licht aus ist oder abends, kurz bevor das Licht ausgeht, haben die Pflanzen keine Chance mehr, das zusätzliche CO2 zu verbrauchen. Über Nacht können so kritische Werte beim Sauerstoffgehalt erreicht werden, was sich dann in den typischen Problemen beim Besatz äußert.
3.7 Sonderfall CO2-Konzentration
Ist im Aquarienwasser zu viel CO2 gelöst, kommt es zu denselben Symptomen bei den Fischen und Garnelen wie bei einem Sauerstoffmangel, Das zugrunde liegende Problem ist jedoch ein etwas anderes: Selbst wenn ausreichend Sauerstoff im Aquarienwasser gelöst ist, können die Tiere bei Anwesenheit von zu viel gelöstem Kohlendioxid im Wasser nicht mehr "ausatmen". Garnelen und Krebse und viele Aquarienfische atmen nicht aktiv aus, sondern geben CO2 aus ihrem Blut über die Kiemen durch Diffusion ans Aquarienwasser ab. Befindet sich nun aber schon viel Kohlendioxid in Lösung im Wasser, ist das Gefälle nicht mehr groß genug und die Wassertiere werden den Abfallstoff nicht mehr los. Dadurch sind ihre Blutkörperchen blockiert und können keinen Sauerstoff mehr aufnehmen - die Tiere erleiden einen Sauerstoffmangel, obwohl genügend Sauerstoff im Aquarienwasser vorhanden sein kann.
Um sicherzustellen, dass das nicht passieren kann, sollte man beim Düngen der Aquarienpflanzen mit CO2 auf eine Nachtabschaltung achten (die Pflanzen nehmen über Nacht ohnehin kein Kohlendioxid aus dem Wasser auf, weil sie ohne Licht keine Photosynthese betreiben können) und die CO2-Anlage niemals ohne Dauertest fahren. Ein CO2-Gehalt von 20 bis maximal 30 mg/l sollte im Garnelen- oder Fischaquarium nicht überschritten werden.
3.7.1 Abhilfe
Den Sauerstoffgehalt im Aquarium zu erhöhen, bringt im Fall einer CO2-Vergiftung leider nichts. Mit Hilfe eines Sprudelsteins kann man in leichteren Fällen CO2 aus dem Wasser austreiben, beziehungsweise bringt ein rascher großer Teilwasserwechsel bei schwereren CO2-Vergiftungen schnell Abhilfe.
4 Sauerstoffgehalt erhöhen
4.1 Belüften / Wasserbewegung verstärken
Sauerstoff gelangt auf natürliche Weise durch Diffusion an der Wasseroberfläche in das Aquariumwasser. Um diesen Vorgang zu erleichtern, kann man die Oberflächenbewegung erhöhen, indem man den Filterauslass entsprechend höher setzt, sodass sich die Wasseroberfläche stärker bewegt. Auch eine Luftpumpe mit Sprudelstein kann für mehr Kontaktfläche zwischen Luft und Wasser sorgen.
4.2 Zusätzlicher Sauerstoff durch einen Oxydator
Eine weitere und vor allem bei Garnelenhaltern beliebte Methode ist die Verwendung eines Oxydators, welcher mit Hilfe eines Katalysators Wasserstoffperoxid (H2O2) zu molekularem Sauerstoff (O) und Wasser umbaut.
4.3 Sauerstoffeintrag durch Photosynthese
Die natürlichste Methode ist wohl der Sauerstoffeintrag über die Photosynthesetätigkeit LINK der Pflanzen. Bei einer guten Nährstoffversorgung (Nitrat, Phosphat, Kalium, Eisen, CO2) können die Pflanzen ihren Stoffwechsel optimal ausführen, was sich in einer enormen Sauerstoffproduktion auswirkt. Sichtbar wird das Assimilieren der Pflanzen, wenn die Sättigung des Wassers erreicht ist – reiner Sauerstoff tritt aus den Blättern der Pflanzen in Form kleiner Bläschen aus.
Achtung: Gerade in gut bepflanzten Becken kann es dennoch notwendig sein, dass über Nacht ein Sprudelstein läuft oder dass der Filterauslass plätschtert und so durch Wasserbewegung Sauerstoff eingetragen wird, da die Pflanzen in der Dunkelheit Sauerstoff verbrauchen.
4.4 Wassertemperatur senken
Bei einem Sauerstoffmangel wegen zu hoher Wassertemperaturen sollte das Aquarienwasser gekühlt werden. Es kann unter Umständen gar nicht ausreichend Sauerstoff aufnehmen, da bei höheren Wassertemperaturen die Sauerstoffsättigung schon bei viel tieferen Konzentrationen eintritt.
Autor(en)
Ricardo Castellanos
Co-Autor(en)
Ulli Bauer
Fotos: Grafik: Ricardo Castellanos